Aokigahara Jukai liegt am Fuße des Berges Fuji in der Nähe von Tokio. Dieser gleichermaßen dichte wie ausgedehnte Wald ist eine der schönsten und unberührtesten Gegenden Japans – aber auch eine der berüchtigtsten. Aokigahara ist in Japan für seine Gespenster und Yokai berühmt. Es heißt, dass eben jene nachts im Wald auftauchen und Menschen dazu bringen, Selbstmord zu begehen. Der Wald soll auch mit den ruhelosen Seelen der unglücklichen Verstorbenen gefüllt sein. In manchen Nächten, sogar an manchen Tagen, können Besucher sie schreien, weinen und jammern hören.
Tödliche Stille
Obwohl es keine schlüssigen Beweise gibt, wird der Wald seit Jahrhunderten mit dem Tod in Verbindung gebracht. Es wird angenommen, dass in Zeiten der Hungersnot hilfsbedürftige Kinder und ältere Menschen im Aokigahara zurückgelassen wurden. Es wird gesagt, dass der Wald von den Geistern derer heimgesucht wird, die dort ihr Leben verloren haben. Selbstmorde im Wald wurden bereits in den 1950er und 1960er Jahren verzeichnet, und nachdem der Autor Seisho Matsumoto in seinem Roman Der Wellenturm über den Selbstmord einer Frau am Berg Fuji geschrieben hatte, nahmen die Leichenfunde im Wald dramatisch zu.
Seit 1960 suchen Polizei und Feuerwehr regelmäßig nach Leichen im Wald. Die Behörden glauben, dass es mehr Selbstmorde gibt, als sie beweisen können. Aufgrund der undurchdringlichen Vegetation im Wald werden noch immer viele Menschen vermisst. Kein Wunder, dass sich die Legende vom verfluchten Wald so schnell verbreitete. Außerdem ist Aokigahara dafür bekannt, überraschend ruhig zu sein. Die dichten Bäume, die den Wind blockieren, unterdrücken fast alle Geräusche, und es sind selten Tiere zu hören.
Der Wald entstand nach dem Ausbruch des Fuji im 9. Jahrhundert. Ausgedehnte poröse Flächen aus Olivinbasalt, Vulkanschuttl, Bimskies und Tuffgestein bildeten die ideale Grundlage für die Entwicklung eines dichten Waldes mit hoher Biodiversität. Die poröse Lavaschicht, die eine Fläche von etwa 30 Quadratkilometern bedeckt, sollte sich zu dem undurchdringlichen Wald entwickeln, der in Japan die Geister und Dämonen Legenden hervorbrachte.
Suizidursachen in Japan
Unbestritten ist jedoch die hohe Suizidrate in Japan – durchschnittlich 70 Suizide pro Tag im Jahr 2014. Die Gründe: Arbeitslosigkeit, Depression, sozialer Druck. Hinzu kommt die berühmte Isolation Japans, um die herum sich ganze Industrien in den Hauptstädten des Landes entwickelten.
Manche Menschen finden einen Ausweg durch Suizid, besonders in Phasen schwerer Depressionen und chronischer Krankheiten. Im christlichen Europa galt Selbstmord jedoch als Sünde, und bis heute ist das Thema oft tabuisiert. In Japan existiert dieses Tabu jedoch nicht und der Inselstaat hat eine der höchsten Selbstmordraten der Welt. Die Praxis des Harakiri – die Rettung der eigenen Ehre durch Selbstmord – ist bis heute in der japanischen Kultur verwurzelt.
Der Wald heute und seine Nachwirkungen
Aokigaharas Bekanntheit hat viele amerikanische Horrorfilme inspiriert, darunter The Forest aus dem Jahr 2016, und in Japan ist der Wald eher eine Inspirationsquelle für verschiedene Dramen.
Auch heute noch streifen Patrouillen, Waldarbeiter und Freiwillige regelmäßig durch den Wald, um Suizidgefährdete aufzuspüren und sie nach Möglichkeit vom Suizid abzuhalten. Forstarbeiter melden die gefundenen Leichen der Polizei und helfen bei Bedarf, sie zu bergen. Auf den offiziellen Wanderwegen in der Nähe des Waldeingangs befinden sich Informationstafeln mit Hinweisen zur telefonischen Seelsorge, zu Gebeten und Mahnungen. Damit sollen potenzielle Suizide zur Rückkehr animiert und so eine weitere Zunahme der Suizide verhindert werden. Leider ist der Wald auch ein Magnet für Touristen, die den Nervenkitzel suchen, eine Leiche zu finden. Besondere Aufmerksamkeit bekam das Thema, als YouTuber Logan Paul mit ein paar anderen Leuten den Aokigahara-Wald besuchte und einen Selbstmordfall filmte. Er löschte das Video erst nach harscher Kritik und einer Abmahnung durch YouTube.