Mädchen mit Eis
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Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht (Rezension)

Ein schüchterner Junge und ein neues Mädchen an der der Schule – die ganz große Liebe zum Greifen nah, wäre da nicht dieses erschreckend absurde Problem: Jedes Mal, wenn wir uns in einer Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht. Die Novelle von Carlton Mellick III verspricht eine gruselige Romanze der etwas anderen Art.

„Sie ist das süßeste Mädchen der Schule. Das mit dem Mietzekätzchen-Lächeln und den Glücksklee-Haarspangen. Zwei kirschrote Zöpfe tanzen auf ihrem Rücken wie in rotem Fruchtsaft getauchte Zitteraale. Sie trägt leuchtend grünen Lippenstift mit Apfelgeschmack und ihre Lieblingsklamottenfarbe ist Limettensorbet.“

Carlton Mellick III, Jedes Mal, wenn wir uns […], Festa Special Bd. 5, Leipzig 2020, S. 9

Ein ganz besonderes Mädchen

Für den ruhigen Ethan ist Jill das bezauberndste Mädchen der gesamten Schule, auch wenn sie von den meisten anderen Teenagern der Mittelstufe gemieden wird. Vielleicht liegt es daran, dass sie im Unterricht derart unruhig und zappelig ist, dass sie sogar Lehrer aus dem Konzept bringt. Oder es liegt an ihrer Tollpatschigkeit, die bisher zufälligerweise zur Sezierung ihres eigenen Fingers führte, dem schwabbeligen Schulrowdy Mark ein blaues Auge verschaffte und dem armen Hamster zu einem verfrühten Ableben – zermatscht durch zu viele vom Regal herunter rutschende Bücher – verhalf.

Die nachhaltige Wahrung des Sicherheitsabstands zu ihr seitens der restlichen Schülerschaft ist aber wohl vielmehr dem Umstand geschuldet, dass Jill viel zu oft irgendein Spinnentier im Haar krabbelt, ohne es selbst zu bemerken. Das brachte ihr kurzerhand den wenig ruhmreichen Spitznamen „Spiderweb“ ein. Ein Stigma, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt begleitet. 

Doch allen Merkwürdigkeiten zum Trotz war Ethan von dem Moment an, als Jill zum ersten Mal den Schulbus betritt, in sie vernarrt. Und so folgten zahllose Blickkontakte, verstohlenes Anlächeln, kurze Botschaften auf Zettelchen und schließlich Händchenhalten. Erfolg auf ganzer Linie!

Doch es sollte anders kommen: Als Ethan sich mit seiner Herzensdame im Dairy Queen auf einen Erdbeereisbecher trifft, kann Jill ihre Aufregung kaum mehr zurückhalten: Ihr Wangen fangen zu glühen an, ihre Stirn wirft Blasen, ihr Mund und ihre Nase rauchen, bis… nun ja… ihr verdammtes Gesicht explodiert und die Fetzen fliegen. Trotzdem ist dies erst der Anfang einer wahrlich denkwürdigen Romanze…

Zwei Außenseiter unter sich

Ethan selbst ist ein recht unauffälliger und zurückhaltender Bursche ohne irgendeine nennenswerte Besonderheit, die ihn von seinen Klassenkameraden emporhebt. Ganz im Gegenteil: Morgens geht es wortlos mit dem Bus zur Schule. Dort bemüht er sich, dem Unterricht zu folgen und in den Pausen nicht Mark in die Arme zu laufen, um abends idealerweise in einem Stück wieder bei seinen Eltern anzukommen. Ein ganz normaler Junge eben.

Erst als Jill in den Bus und damit in sein Leben tritt, beginnt er allmählich, seine schüchterne Art hinter sich zu lassen, erste Lebensziele zu fassen und sich für jemand anderen einzusetzen. Insgesamt ein recht löbliches Unterfangen, hätte er nur darauf verzichtet, sich nicht auch noch mit Mark anzulegen, bis die Schwarte kracht.

Jill lernen wir hingegen nur durch die rosarote Brille Ethans kennen. Ob nun tollpatschig, schweigsam, geduldig oder hoffnungsvoll, stets nimmt er sie sehr positiv wahr oder verfällt in Sorge, wenn er befürchtet, irgendetwas Jill gegenüber zu verschulden, selbst wenn ihr verdammtes Gesicht zu explodieren droht. Doch dass Jill noch ganz andere Geheimnisse birgt, wird ihm erstmals bewusst, als er nach einem ihrer Gesichtsunfälle notgedrungen in ihrem Elternhaus zu Gast ist …

Ein lockeres Gemisch

Die Novelle ist durchgängig aus der Sicht von Ethan abgefasst. So sind wir als Leser fast schon hautnah dabei, wie sich die beiden Teenager einander annähern, bis schließlich auf die eine oder andere Weise die Emotionen hochkochen. Auch bangen wir mit Ethan mit, als er sich nicht zum ersten Mal dem scheinbar übermächtigen und gleichermaßen widerwärtigen Mark in der Jungentoilette stellen muss, bis sich seine Frust schließlich in einer blutigen Auseinandersetzung entlädt.

Die Schreibe von Carlton Mellick III. (bzw. die entsprechende Übersetzung) ist recht locker gehalten, wobei die überaus kreativen und bildhaften Beschreibungen – wie im Eingangszitat bereits durchschimmert – immer mal wieder zum Schmunzeln anregen. Dementsprechend liest sich die relativ kurz und knackig gehaltene Erzählung recht flott.

Einziger Wermutstropfen: Auch wenn einige Textpassagen in ein bizarres oder gar mysteriöses Gewand gekleidet sind, will sich an keiner einzigen Stelle im Text wirklich Gruselstimmung einstellen. Das tut der Geschichte zwar keinen Abbruch, allerdings mag der rückseitige Klappentext vielleicht doch eher falsche Erwartungen wecken. Ein bisschen schade.

Lobend erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch das wirklich gelungene Cover, zeigt es doch offensichtlich das süßeste Mädchen der Schule trotz des zusammengenähten Gesichts in den fröhlichsten Farben, die man sich eben so vorstellen kann. Dieses Mietzekätzchen-Lächeln muss mein einfach mögen. Genau wie das Cover.

Fazit

Jedes Mal, wenn wir uns in einer Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht von Carlton Mellick III. ist eine etwas bizarre, aber wahrlich liebevoll ausgestaltete Teenager-Romanze, die sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Einzig der gruselige Grundtenor, wie ich ihn  laut Klappentext erwartet habe, kam an kaum einer Stelle wirklich zur Geltung. Was bleibt, ist eine locker erzählte Liebesgeschichte mit einigen eher spezielleren Elementen. Insgesamt jedoch recht erfrischend.

Abschließend möchte ich noch dem Festa Verlag für das Rezensionsexemplar samt thematisch passendem Wohlfühlpaket danken. Ganz große Klasse. Daumen hoch.

Titel:  Jedes Mal, wenn wir uns in der Eisdiele treffen, explodiert dein verdammtes Gesicht
Autor: Carlton Mellick III
Verlag: Festa
Buchseiten: 160 Seiten
ISBN: ohne

Das Titelbild ist ein Ausschnitt des Buchcovers der gleichnamigen Publikation. Alle Bildrechte liegen beim Festa Verlag.

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