Vermummte dunkle Gestalt mit einem roten leuchtenden Auge. Im Hintergrund der Mond und tote Bäume.
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Der Leichenkönig (Rezension)

Edinburgh im 19. Jahrhundert: Während es vielen Menschen in den Armenvierteln der Stadt in die Kriminalität oder die Prostitution zwingt, haben Samuel Clow und Mickey Kierney ihre ganz eigene Strategie entwickelt, um sich trotz der widrigen Umstände durchs Leben zu schlagen. Die beiden Freunde sind als Grabräuber und Leichendiebe tätig. Ein profitables Geschäft. Doch wer hätte geahnt, was auf dem nächtlichen Friedhof noch so auf sie lauern mag?

Harte Zeiten

In dem immer noch recht gottesfürchtig geprägten Alltag um 1840 dürfen nur Leichen von Verbrechern für medizinische Zwecke wie Sezierungen oder Experimente herangezogen werden. Allerdings reichen die zur Verfügung stehenden Leichen rein zahlenmäßig nicht aus, um die wissbegierigen Studenten einschlägiger Fakultäten hinreichend auszubilden oder gar komplexe Studien im Bereich der Humanbiologie voranzutreiben. Grabräuber und Leichendiebe, die sich selbst aber eher als “Erwecker” bezeichnen, nutzen diesen Umstand, um sich hinter verschlossenen Türen mit ihrem ehrlosen Handwerk ein goldenes Näschen zu verdienen.

Nacht für Nacht schleichen sie sich also auf die städtischen Friedhöfe und graben die noch frischen Körper kürzlich Verstorbener wieder aus, um sich mit ihrer makaberen Beute davonzustehlen. Dabei müssen sie immer wachsam sein. Tatsächlich sind Erwecker nicht sonderlich beliebt, zumal sich nicht alle Hinterbliebenen darauf verlassen, dass die Grabräuber bei ihrem kriminellen Treiben erwischt und zur Rechenschaft gezogen werden. Geschickte Fallen sollen beispielsweise die Toten schützen.

Aber die gerissenen Saufkumpanen Samuel Clow und Mickey Kierney lassen sich von derlei Hindernissen nicht abschrecken. Sie kennen allerlei Tricks und wissen genau, wie sie am besten vorzugehen haben, um schnell und unbeschadet an ihr Ziel zu gelangen. Das ändert sich jedoch, als sie eines Nachts den nördlichen Teil des Friedhofs aufsuchen.

Schon länger kursieren Gerüchte über jemanden oder vielmehr etwas, das dort Leichen stiehlt. Ein anderer Grabräuber soll sogar schon dem Wahnsinn anheim gefallen sein. Aber letztlich sind es nur Schauermärchen, über die sich Clow und Kierney gerne lustig machen. Dennoch können sie über kurz oder lang das Gefühl nicht abschütteln, dass sie etwas beobachtet. Und alsbald dringen fürchterliche Geräusche aus dem Erdreich …

Historisch, mysteriös und direkt

Tim Curran gelingt es in diesem Werk, das 19. Jahrhundert in Edinburgh mit seiner bildhaften Sprache recht eindrucksvoll in Szene zu setzen: Die Lebensumstände sind denkbar schlecht, regelrecht erbärmlich, und der Umgangston untereinander könnte rauer nicht sein. Aber gerade der hier angeschlagene Tonfall hat seinen ganz eigenen Charme, vermischt er sich doch recht eingängig mit den ruchlosen Beutezügen auf dem nächtlichen Friedhof und führt, trotz des beinahe routinierten Ablaufs, zu einem fesselnden Ergebnis.  

Insbesondere der Umstand, dass sich Curran an historische Gegebenheiten orientiert, verleiht seinem Werk eine besondere Note. Allein schon der Gedanke, dass es vor nicht allzu langer Zeit wirklich derart bitter zuging, sorgt teils für mehr Gänsehaut als die mysteriösen Ereignisse, die sich in Edinburgh sonst noch so zutragen.

Die Geschehnisse, die sich allesamt um den sogenannten Leichenkönig drehen, steigern sich im weiteren Verlauf der Handlung zunehmend. Sie werden also nicht von Beginn an in den Raum geworfen. Vielmehr ist es ein Gemurmel hier und ein Geflüster da, was sich anfangs noch unbemerkt in den Köpfen der Protagonisten Clow und Kierney festsetzt, bis es nach und nach zu einem Fauchen und Kreischen anschwillt.

Tatsächlich handelt es sich bei diesen beiden Charakteren um den größten Pluspunkt des Romans, sind sie doch authentischer als mancher Held auf seiner Abenteuerreise. Sie weisen mehr Schwächen und gewöhnungsbedürftige Marotten auf als man seinen Mitmenschen eigentlich zugestehen möchte. Letztlich harmonieren sie aber als ein bitterlich humoristisches Duo, sodass sich sympathisierende Gefühlsregungen seitens der Leserschaft nur schwerlich vermeiden lassen und man ihnen unweigerlich bis zum Ende die Daumen drücken möchte.

Fazit

Für Horrorfans ist Der Leichenkönig von Tim Curran eine klare Leseempfehlung. Der Schreibstil, die Atmosphäre und die Charaktere fallen dermaßen positiv ins Gewicht, dass es mir wirklich schwer fällt, dem Roman etwas Negatives anzukreiden. Lediglich Personen, die an einem derben Umgangston nur wenig Gefallen finden, rate ich von diesem Werk ab.

Buchtitel: Der Leichenkönig
Autor: Tim Curran
Verlag: Festa
Buchseiten: 224 Seiten
ISBN: 978-3-86552-526-0

Das Beitragsbild ist das Buchcover. Alle Bildrechte liegen beim Festa-Verlag.

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