Ein Friedhof mit schrägen Grabsteinen.
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Geister und Legenden: Der Fall von Mercy Brown

Im Jahr 1892 wurde in Rhode Island die Leiche der 19-jährigen Mercy Lena Brown von einer Gruppe von Männern exhumiert, verstümmelt und ihre inneren Organe verbrannt. Alles zum Wohle der Einwohner der Stadt Exeter. Wie es dazu kam und was sich die Männer von dieser fraglichen Maßnahme erhofften, lest ihr hier.

Eine Krankheit geht um

Müdigkeit, Nachtschweiß, Gewichtsabnahme und ein blutiger Auswurf beim Husten plagen 1884 Mary Eliza Brown. Trotz der unermüdlichen Pflege durch ihren Mann George Brown verliert Mary den Kampf gegen die Krankheit, die sich nach und nach ihres Körpers bemächtigt hatte. Nur zwei Jahre später muss George Brown selbiges mit seiner ältesten Tochter Mary Olive durchleben. Die Krankheit, die von den Bewohnern Schwindsucht genannt wird, greift auch in anderen Haushalten um sich. Doch zumindest George Brown und seine beiden Kinder Mercy und Edwin scheinen nach dem Tod der zweiten Mary vorerst das Schlimmste überstanden haben.

Doch im Jahr 1891 kehrt der Schrecken in  das Haus der Familie Brown zurück. Edwin zeigt ähnliche Symptome wie bereits zuvor seine Mutter und seine ältere Schwester. Um jener Krankheit entgegenzuwirken, reist Edwin nach Colorado Springs – ein damals beliebtes Reiseziel aufgrund seines eher trockenen Klimas und seiner spezialisierten Behandlungszentren. Doch als Edwin im Jahr 1892 ins Elternhaus zurückkehrt, litt er noch immer unter der Schwindsucht. 

Während Edwins Abwesenheit hat die Schwindsucht auch Mercy Lena infiziert und sie schon nach kurzer Zeit ins Grab befördert. George Brown ist mittlerweile zutiefst verzweifelt. Aus Angst, nun auch noch seinen Sohn zu verlieren, hört er sich einen Vorschlag der Bewohner von Exeter an.

Tote holen sich die Lebenden

Obwohl die Wissenschaft zu dieser Zeit den Grund für die Schwindsucht oder – besser gesagt – Tuberkulose ermittelt hat, gab es unter den Menschen in Exeter und auch in einigen anderen Orten eine etwas andere Erklärung. Immer dann, wenn eine Familie wiederholt von der Krankheit heimgesucht wird, kann es nur eine Antwort darauf geben: Ein Familienglied kehrt aus seinem Grab zurück und zehrt von den Lebenden. 

Mehr aus Verzweiflung als aus einem tatsächlichen Glauben heraus gestattet es George Brown, dass die Leichen seiner Familie exhumiert werden. So begibt er sich am 17. März 1892 mit einigen Bewohnern von Exeter und dem Mediziner Dr. Harold Metcalf zum Friedhof. Während beide Marys mittlerweile verwest sind, weist die schon neun Wochen tote Mercy kaum Verwesungsmerkmale auf. Trotz der Erläuterung des Arztes, dass aufgrund des Winterfrosts dieser Zustand nicht ungewöhnlich sei, wird die Leiche geöffnet. In Mercys Herz und Leber befindet sich noch Blut und die Bewohner von Exeter sehen darin den Beweis, dass Mercy der Grund für die Krankheit sei. Dass die junge Frau erst wenige Wochen tot ist, scheint dabei niemanden zu interessieren. 

Mercys entnommenen Organe werden daraufhin verbrannt. Aus der Asche wird ein Elixier gemischt, welches Edwin heilen soll. Doch Edwin stirbt nur zwei Monate später. 

Ein gefundenes Fressen

Obwohl so ein Vorgehen während der großen Tuberkulosewellen rund ums 19. Jahrhundert nicht ungewöhnlich war, war Mercy die letzte Leiche, die ihrem Grab entrissen wurde. Die Zeitungen verspotteten die Bewohner von Exeter seiner Zeit aufgrund ihres abergläubischen Vorgehens. Vampirgeschichten aus aller Welt wurden auf den Titelseiten abgedruckt und ähnlich makabere Rituale aus entfernten Orten präsentiert. 

Der Volkskundler Michael E. Bell geht in seinem Buch Food for the Dead: On the Trail of New England’s Vampires jedoch davon aus, dass die wenigstens Menschen wirklich an Vampire geglaubt haben. Die Rituale wurden eher aus Verzweiflung durchgeführt. Wie könnte man auch etwas unversucht lassen, wenn es darum geht, die Liebsten zu retten?

Nachwirkung des Falles

Noch heute kann das Grab von Mercy Brown besucht werden. Das Grab ist mit Eisenvorrichtungen verstärkt, jedoch nicht aus Angst vor Vampiren, sondern aus Angst vor Grabräubern. 

Die Geschichte von Mercy hat viele Autoren inspiriert. Zum Beispiel Bram Stoker zu seiner Figur Lucy Westenra und auch H. P. Lovecraft erwähnt den Fall in seiner Geschichte Das gemiedene Haus. Außerdem findet sich der Fall in etlichen Vampirdokumentationen. 

Titelbild von Skitterphoto von Pexels

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