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Murgunstrumm (Rezension)

Hugh Barnett Caves Murgunstrumm ist ein amerikanischer Klassiker des Pulp Horrors aus den 30ern, von dem wahrscheinlich die wenigsten bisher gehört haben. Mit der 2019 beim Festa Verlag erschienenen Fassung ist die Novelle nun erstmals auch in deutscher Übersetzung zugänglich. Doch ist dieser alte Schinken wirklich noch zeitgemäß?

Am Rande des Wahnsinns

Paul Hill ist ein geschundener Mann. Vor etwa 7 Monaten stolperten er und seine Verlobte Ruth LeGeurn am Stadtrand von Rehobeth ins berüchtigte Gray Toad Inn, einer in die Jahre gekommenen Spelunke, die zweifelsohne schon bessere Tage gesehen hat. Doch statt eines schwungvollen Abends durchlebt das noch junge Paar hier in den Fängen des hiesigen Personals noch nie dagewesene Höllenqualen, die sie scheinbar nur mit Glück überlebten. Doch allein die Rückbesinnung an jene verhängnisvolle Nacht bringt Paul seit je her fast um den Verstand. Seine Verlobte hat dahingehend noch weniger Glück.

Einzig der Gedanke an Vergeltung, gepaart mit dem letzten Hoffnungsschimmer, Ruth nach all den Monaten endlich Linderung zu verschaffen, lassen Paul unentwegt die nötige Entschlossenheit aufbringen, sich aus seiner Zwangsinhaftierung in der Nervenheilanstalt von Marssen zu befreien. Und so gelingt es ihm nach mehrmonatiger Vorbereitung, mithilfe von Ruths Bruder die Flucht zu ergreifen.

Das Schicksal meint es jetzt sogar fast schon gut mit ihm: Auf dem Weg, sein verbittertes Vorhaben in die Tat umzusetzen, wird Paul kurzerhand von Matt Jeremy unterstützt, dem seinerseits viel an der Familie LeGeurn gelegen ist. Und so begeben sich beide zurück nach Rehobeth, um sich jener Abscheulichkeit zu stellen, die dort im Gray Toad Inn haust: Murgunstrumm.

Von Vergeltung getrieben

Paul Hill ist innerlich zerrissen. Einerseits sorgt er sich verbissen um das vermeintliche Wohlergehen seiner Verlobten, die sich wohl nach Pauls auferlegter Einweisung in die Nervenheilanstalt selbst in psychologische Behandlung begeben hat. Aber abgesehen von einigen Andeutungen ihres Bruders erfahren wir über sie jedoch kaum mehr, als uns Pauls Erinnerungsfetzen hin und wieder verraten mögen. Andererseits verbeißt sich der Geschundene an die abwegige Vorstellung, Mugrunstrumms Treiben ein jähes Ende setzen zu müssen. Wenn nicht er, wer dann? Doch wird seine Entschlossenheit immer dann auf eine harte Probe gestellt, wenn seine Erinnerungen an jene verhängnisvolle Nacht ihm unverhofft wieder ins Bewusstsein drängen.

Der grobschlächtige Matt Jeremy ist zwar ebenfalls eher ein Mann der Tat, teilt jedoch Pauls leidvolles Schicksal nicht. Allein aus seiner Verbundenheit zur Familie LeGeurn, der er seit langem als Chauffeur zu Diensten steht, schöpft er die notwendige Motivation, sich an Pauls unheilvollen Unterfangen bereitwillig zu beteiligen. Noch mag er die Gefahr nicht vollends sehen, in die sich beide da begeben, aber allmählich dämmert auch ihm, dass im Gray Inn Toad etwas ungemein Böses vor sich geht … 

Überschaubar, aber stimmungsvoll

Paul Hill ist Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte. So erfahren wir stets, was um ihn herum vor sich geht oder wovon er zumindest glaubt, was da im Gange sei, und wie er dabei empfindet. Auch wenn die Handlung vielleicht geradlinig und das Setting überschaubar erscheinen mag, stehen immer mal wieder kleine Andeutungen im Raum, die beim Leser eine gewisse Unsicherheit schüren. Im besten Falle möchte man einfach wissen, was da in jener Nacht vor 7 Monaten tatsächlich geschehen ist und ob sein vorangestelltes Martyrium doch noch irgendwie eine positive Wendung nimmt.

Stilistisch ist der Text recht leicht zugänglich und flüssig lesbar. Die Darstellung von Gewalt hält sich in Grenzen. Überrascht hat mich dabei, wie gut es dem Autor (respektive seiner Übersetzerin) trotz der vergleichsweise einfachen Wortwahl dabei dennoch gelingt, die jeweilige Szenerie bildhaft, stimmig und teils sogar spannungsgeladen vor meinem inneren Auge entstehen zu lassen. So ertappte ich mich dabei, an einigen Stellen wahrlich mit dem Protagonisten mitzufiebern, sobald er oder sein Kumpane sich in eine abermals brenzliche Lage manövriert haben.

Auffällig ist lediglich, dass alle aktiv handelnden Figuren mit männlichem Personal besetzt sind und die wenigen, weiblichen Figuren ausnahmslos in der Opferrolle präsentiert sind. Das mag zweifellos am Entstehungszeitpunkt der Geschichte liegen, auch wenn dem Ensemble etwas mehr Diversität gut getan hätte. 

Edel aufbereitet

Paul Hills Geschichte wird von einigen Schwarz-Weiß-Abbildungen begleitet, die ähnlich dem Cover entfernt an Abdrucke von Holzschnitten oder ähnlichen Fabrikaten erinnern. Ihre ungewöhnlichen und zuweilen etwas bizarren Motive orientieren sich dabei am jeweiligen Geschehen im Text und bereichern diesen um eine weitere unheilvolle Komponente.

Dazu passt ebenfalls der geschwärzte Buchschnitt des griffigen, matt beigefarbenen Papiers, das in den schwarzen Einband eingefasst ist. So entsteht der fantasievolle Eindruck, dass es sich bei dieser Schmuckausgabe um einen fast schon altertümlichen Folianten handelt, dessen geheimnisvoller Inhalt nur darauf wartet, von der Leserschaft ergründet zu werden.

Fazit

Murgunstrumm, das zu den frühesten publizierten Werken Hugh Barnett Caves gehört, ist für mich wieder einmal ein Kleinod sondergleichen. Zum einen fokussiert sich die Novelle wirklich nur um Paul Hill und jene Geschehnisse im Gray Toad Inn. Und zum anderen ist die Ausgabe mit seiner schmuckvollen Ausgestaltung wahrlich gelungen.   

Auch wenn die Geschichte an sich durchaus geradlinig und für Genrekenner des Übernatürlichen vielleicht sogar ein bisschen trashig daherkommt, verzichtet sie gänzlich auf unnötige Längen und bleibt daher über weite Strecken auch nach heutigen Maßstäben zumindest interessant, an einigen Stellen sogar spannend. Dabei ist die Übersetzung in jedem Falle gut gelungen und frei von orthographischen Mängeln. 

Insgesamt kann ich Murgunstrumm vor allem Fans des gediegenen Horrors sehr empfehlen, die Gefallen an kurzen und knackigen Geschichten finden. Und jenen wie mich, die stets aufs Neue dem Charme aufwendig gestalteter Bücher erliegen, darf diese Ausgabe ohnehin nicht im Bücherregal fehlen.

Buchtitel: Murgunstrumm
Autor: Hugh Barnett Cave
Übersetzerin: Susanne Picard
Verlag: Festa Verlag
Buchseiten: 208 Seiten
ISBN: 978-3-86552-903-9

Übrigens erschien die Novelle erstmals 1932 als Titelgeschichte des amerikanischen Pulp Magazins Strange Tales of Mystery and Terror. Der Herausgeber Harry Bates zahlte für jede Publikation 2 Cent pro Wort. Das war damals mehr als der Marktführer Weird Tales, in dem beispielsweise einige von H.P. Lovecrafts Kurzgeschichten erschienen.

Hugh B. Cave lebte zu dieser Zeit in Paxtuwet, Rhode Island. Auch wenn er Lovecraft, der im nahen Provindence wohnte, nie persönlich getroffen hat, korrespondierten sie doch einander bezüglich der Ethik und Ästhetik zum Publizieren in Pulp-Magazinen. (Möglicherweise hatte es damit zu tun, dass Bates Lovecrafts Geschichten für sein Magazin ablehnte. Angeblich seien sie zu atmosphärisch, zumal es ihnen an Action mangeln würde.) 

Davon abgesehen sind mindestens zwei andere von Caves Kurzgeschichten mit dem Cthulhu-Mythos verflochten: „The Isle of Dark Magic“ (1934) und „The Death Watch“ (1939).

Auf dem Titelbild ist ein Ausschnitt des Buchcovers zu sehen. Für letzteres liegen alle Bildrechte beim Festa Verlag.

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