Insbesondere Horrorfilme sind dafür bekannt, mit eher schlichten Charakterkonzepten zu arbeiten. Meist besitzen sie nur eine bis maximal zwei Eigenschaften, die sie durch die Handlung tragen. Diese Stereotype wurden in den letzten Jahren zwar immer wieder aufgebrochen, um das Publikum zu überraschen, aber schlussendlich sind sie auch heute noch allgegenwärtig. Wir wollen daher einen Blick auf einige gängige Stereotype werfen.
Der Rocker bzw. das Rocker-Chick
Es handelt sich hierbei um vordergründig taffe und unabhängige Charaktere, die ihren eigenen Weg gehen und sich auch nicht so leicht aus der Bahn werfen lassen. In Stresssituationen geraten sie nicht so schnell in Panik und schlagen manchmal sogar zurück. Zu ihrer rebellischen Attitüde gehört es, dass sie entweder gerne Rockmusik/Metal hören oder sogar selbst in einer Band spielen. Sie sind meistens Außenseiter, genießen aber stets einen eher zweifelhaften Ruf, der von der im Film gesellschaftlich vorherrschenden Norm abweicht.
Optisch unterscheidet sich der Rocker bzw. das Rocker Chick von der restlichen Gruppe überwiegend durch einen individuellen, zwanglosen Kleidungsstil. In den 80ern waren dies größtenteils punk-artige Outfits und auffällig gestylte Haare wie zum Beispiel J.J. Jarrett aus dem achten Freitag der 13. Film oder auch Billy aus “Nightmare on Elm Street” (1984).
Auch wird der Rocker-Stereotyp gerne mit Alkohol und Zigaretten in Szene gesetzt und hat selbstredend ein Problem mit Autoritäten. Regelverstöße, seien es nun gegen geltendes Recht oder auch nur die Schulordnung, sind an der Tagesordnung.
Da sie zu den “unmoralischen” Charakteren gehören, sterben sie meist eher am Anfang eines Horrorfilms, sind manchmal aber auch für die eine oder andere Überraschung gut.
Der bzw. die Toughe
Der oder die Toughe ist ein typisches Alpha-Tier, das dazu neigt, die Führung zu übernehmen, aber auch andere zu schützen. Ein bekanntes Beispiel für einen Toughen ist der Charakter Chris in “Cabin in the Woods” (2011) oder Ash aus der Evil Dead Reihe. Ein weibliches Pendant ist die Figur der Ripley in “Alien” (1979), die als starke und unabhängige Frau dargestellt wird.
Selbstbewusst und mutig kämpfen sie sich durch die Story des Films und profitieren in der Regel von einem eher athletischen und starken Körperbau. Abhängig von anderen, durchaus positiv konnotierten Charaktereigenschaften ist die Chance recht hoch, dass sie einerseits als die letzten Überlebenden die Handlung bewältigen oder aber sich etwa in der Mitte des Filmes für andere opfern. Zuweilen kommt es allerdings auch vor, dass sie durch eher negativ konnotierte Charakterzüge wie zum Beispiel die eigene Arroganz dem Killer oder der dunklen Macht schon relativ früh im Film zum Opfer fallen.
In jüngeren Filmen wie “A Quiet Place” (2018) oder auch die neueren Halloween-Filme (ab ca. 2018) wurden diese Charaktere durch mehr Schwächen und emotionalen Ebenen realistischer und damit auch interessanter gestaltet.
Der Sportler bzw. die Sportlerin
Der Sportler oder auch die Sportlerin zeichnet sich neben körperlicher Fitness durch einen sehr selbstbewussten Charakter aus. Eher als der toughe Charakter neigen sie zu Selbstgefälligkeit oder Arroganz.
Ein Beispiel für diesen Stereotypen ist Debbie von “Nightmare on Elm Street 4” (1988) oder auch Julius aus “Freitag der 13. Teil VIII – Todesfalle Manhattan” (1989). Julius versucht als begnadeter Boxer sogar, es mit Jason in einem Zweikampf aufzunehmen.
Die Überheblichkeit des Sportlers kann dazu führen, dass er aufgrund seines Verkennens der Gefahrensituation eines der ersten Opfer in einem Horrorfilm wird. Es gibt jedoch auch Ausnahmen: Manchmal stirbt der Sportler-Stereotyp erst später im Film, insbesondere wenn ihm – vielleicht durch einen Sinneswandel zum Guten hin – innerhalb der Handlung eine größere Rolle zugestanden wird.
Der Nerd
Der Nerd ist ein intelligentes und oft unterdrücktes Individuum, das in auf Oberflächlichkeiten basierenden Sozialstrukturen als Opfer der anderen Charaktere inszeniert wird. Er ist manchmal derjenige, der am Ende überlebt und den Antagonisten besiegt oder zumindest den richtigen Denkanstoß für den noch lebenden Rest der ursprünglichen Gruppe bietet.
Da er oder sie jedoch oft auch unsportlich oder unbeholfen charakterisiert wird, hat der Killer zuweilen auch ein leichtes Spiel mit ihnen. Nur selten hilft ihnen ihre Passion für Wissenschaft, Technologie, Computerspiele oder Bücher, dem tödlichen Zugriff zu entfliehen. Überwiegend dann, wenn sie ihre intellektuellen Fähigkeiten überschätzen, fallen sie dem Killer des Horrorfilms geradewegs zum Opfer.
Ein sehr bekanntes Beispiel für den Nerd in Horrorfilmen ist Randy in “Scream” (1996). Weitere Beispiele sind Adam aus “Happy Deathday” (2017) oder Columbus aus “Zombieland” (2009).
The Girl next Door oder Final Girl
Das Final Girl ist ein häufiger Stereotyp und in der Regel die einzige weibliche Überlebende in einem Horrorfilm vornehmlich einem Teenie-Slasher-Film. Sie ist diejenige, die am Ende obsiegt. Davor wurde sie als möglichst unschuldig und moralisch deutlich vertretbarer als andere Charaktere dargestellt. Ihre Stärke und Entschlossenheit entfaltet sie erst zum Ende des Films hin.
Das bekannteste Beispiel für ein Final Girl ist der Charakter Laurie in “Halloween” (1978). Ein weiteres Beispiel ist die Figur Sidney Prescott in “Scream” (1996) und seinen Fortsetzungen, die als unabhängige und mutige Heldin dargestellt wird. In neueren Filmen wie “The Cabin in the Woods” (2011) und “You’re Next” (2011) sehen wir auch eine Abkehr von diesem Stereotyp, in denen das Final Girl als komplexer und weniger unschuldiger Charakter dargestellt wird.
Der nette Typ
Der nette Typ ist oft der Freund oder der Love Interest des Final Girls und versucht, sie zu beschützen. Er ist loyal, hilfsbereit und moralisch rechtschaffen. Manchmal wird er von der “bösen Macht” oder dem Killer getötet. Häufig ist er dabei der letzte oder vorletzte, der im Film stirbt, weil man ihm oder ihr als Zuschauer bis zuletzt die Daumen drücken soll. Ein Beispiel für den netten Typen in einem Horrorfilm ist Paul in “I Know What You Did Last Summer” (1997). Auch “Scream” (1996) nutzt diesen Stereotypen, gibt diesem jedoch neue Nuancen und bricht aus dem klassischen Muster aus.
Der Witzbold
Der Witzbold ist ein häufiger Stereotyp in Horrorfilmen. Er ist oft derjenige, der die Gruppe unterhält, aber auch leichtgläubig und naiv, manchmal sogar etwas dümmlich ist. Ein bekanntes Beispiel für einen Witzbold ist der Charakter Marty in “The Cabin in the Woods”. Ein weiteres bekanntes Beispiel für diesen Charakter-Stereotyp ist der Charakter Shelly in dem Film “Und wieder ist Freitag der 13” (1982). Er macht in unangemessenen Momenten Scherze und versucht, die Stimmung aufzulockern, erkennt jedoch auch nicht, wenn seine Scherze zu weit gehen. Er dient in Horrorfilmen den Zuschauenden meist als Comic Relief und sorgt für eine Atempause, bevor die Handlung wieder an Fahrt aufnimmt und der Überlebenskampf fortgesetzt wird.
Nur sehr selten erreicht der Witzbold überhaupt das Finale eines Horrorfilms, lebend kommt er für gewöhnlich nicht davon.
The Pretty One
Der Stereotyp der “Pretty One” ist oft die erste Person, die von dem Killer getötet wird, weil sie sexuell aktiv ist. Im Deutschen wird für den Stereotypen noch oft die Bezeichnung “Hure” genutzt, während sich im englischen Sprachgebrauch der neutrale Begriff “The Pretty One” etabliert hat. Insbesondere in älteren Filmen genügt es für diesen Stereotyp, dass eine Frau überhaupt über ein sexuelles Verlangen verfügt. Auch außerhalb der Horrorfilme wurden Frauen gerne immer entweder als Hure oder Heilige inszeniert. Später wurde dieser Stereotyp oft als promiskuitiv, unmoralisch und verantwortungslos dargestellt. Sexuelle Beziehung führt dieser in Filmen dann vorzugsweise mit mehreren Charakteren.
Dieser Stereotyp kann deutlich kritischer als die anderen gesehen werden, da er Frauen diskriminiert und ihre Wertschätzung auf ihr Sexualverhalten reduziert. Dieser Stereotyp perpetuiert auch das negative Klischee, dass Frauen, die ihre Sexualität ausdrücken, weniger wert sind und bestraft werden müssen. Zudem bilden sie für Filmemacher eine einfache, fast schon plakativ genutzte Gelegenheit, mehr nackte Haut im Film zu zeigen, um für ein vorrangig männliches Publikum attraktiver zu werden. Die Liste der Beispiele für diesen Stereotyp ist lang, wurde jedoch bereits relativ früh von vielen Regisseuren gebrochen. So ist Jessy Bradford aus “Die Treppe in den Tod” aus dem Jahr 1974 zwar einerseits diesem Stereotyp zuzuordnen, auf der anderen Seite ist sie aber auch das Final Girl.
Zudem findet sich dieser Stereotyp in neueren Filmen nur noch selten, da einerseits die Sexualität der Frauen heutzutage weniger tabuisiert ist und zum anderen auch immer mehr Frauen auf dem Regiestuhl oder hinter der Kamera Platz nehmen und eine weibliche Sicht der Darstellung mit einbringen, zumal man ein größeres Spektrum an Zuschauenden abzudecken gedenkt.
Der Reiche/Die Reiche
Der oder die Reiche ist ein weiteres häufiges Stereotyp in Horrorfilmen. Sie sind oft arrogant und denken, dass sie mit Geld oder familiär bedingtem Einfluss alles kaufen können. Ein bekanntes Beispiel für einen Reichen ist der Charakter Trent aus dem “Freitag der 13.” Remake aus dem Jahr 2019.
Der Stereotyp des Reichen in Horrorfilmen ist eine Figur, die oft als überheblich, selbstgefällig und verantwortungslos dargestellt wird. Sie hat oft Zugang zu aufwändigeren Ressourcen wie einem schnellen Auto und führt einen privilegierten Lebensstil, aber sie unterschätzt oft auch die Gefahr und ist unempfänglich für die Probleme anderer. Sie stirbt eigentlich immer. Nicht selten ist der oder die Reiche auch ein Antagonist. Entweder ein kleinerer Gegenspieler für das Final Girl oder auch der Hauptantagonist. So ist in der Filmreihe “The Purge” ein Großteil der Mörder und Mörderinnen Teil der Oberschicht. Auch in “Get out” 2017 nutzen die Antagonisten ihre finanziellen Mittel und ihren guten Namen, um anderen zu schaden.
Die Zicke
Die Zicke ist ein weiterer, häufiger Stereotyp in Horrorfilmen. Sie ist nicht selten die Rivalin des Final Girls und wird oft als oberflächlich, unhöflich, unkooperativ und egoistisch beschrieben. Ein bekanntes Beispiel für eine Zicke ist die Figur Margot in der Serie “I Know What You Did Last Summer”, die als raffgierig und oberflächlich dargestellt wird. Ein Beispiel für eine Zicke, die von dem Stereotyp abweicht, ist der Charakter Kirby in “Scream 4”, die zwar anfangs oberflächlich wirkt, sich aber im Laufe des Filmes als mutig und hilfsbereit erweist. Oft wird die Zicke mit einem weiteren Stereotyp kombiniert.
Stereotypen in den letzten Jahren
In den letzten zehn Jahren hat sich der Umgang mit Stereotypen in Horrorfilmen tatsächlich verbessert: Es gibt eine größere Vielfalt an Charakteren und Vertretern unterrepräsentierter Gruppen. Es gibt auch eine größere Sensibilität für problematische Darstellungen und eine stärkere Betonung von starken weiblichen Charakteren (in positiv konnotierten Rollen). Zum Beispiel gibt es mehr weibliche Protagonisten, die sich erfolgreich gegen die Bedrohungen wehren und auch überleben, anstatt ausschließlich als Opfer dargestellt zu werden. Es gibt auch eine größere Diversität in Bezug auf ethnische Zusammensetzung und LGBTQ+ Charaktere, auch wenn sich hier zuweilen gewisse “multikulturelle” Gruppenmuster herauskristallisieren, denen ihrerseits eine stereotype Auffälligkeit anhaften kann.
Auch die Art und Weise, wie Stereotypen charakterisiert werden, hat sich im Laufe der Zeit verändert, insbesondere bei Figuren wie dem Witzbold, der häufig als komisch und unterhaltsam dargestellt wird, anstatt als unmoralisch und verantwortungslos. Anderen Stereotypen werden mehr individualisierende Charakterzüge zugestanden. Auch werden innerhalb einer Rolle öfter mehrere Stereotype implementiert, sodass es öfter zu Mischformen kommt.
Mit der neuen Vielfalt kommt es jedoch auch zu Herausforderungen oder gar Problemen, wenn Filmemacher mit dem starken Hang zur politischen Korrektheit den eigentlichen Film und seine Geschichte aus den Augen verlieren. Hier ist allerdings auch das Publikum gefragt, nicht immer Repräsentanten jeden Geschlechts, jeder Ethnie oder jeder sexuellen Orientierung erwarten zu wollen bzw. einfordern zu müssen.
Beitragsbild von Helena Lopes von Pexels
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